Das Kapitalozän ist eine alternative Gesellschaftstheorie zur Erklärung der gegenwärtigen ökologischen Krise, die sich eher auf Kapital und Kapitalismus als auf eine kollektive Verantwortung des Menschen und der Menschheit im Allgemeinen konzentriert. Kritiker der anthropozänen Theorie, darunter Andreas Malm und Alf Hornborg, Ökologen an der Universität Lund in Schweden, weisen darauf hin, dass Umweltzerstörung und Klimawandel nicht das kollektive Urverbrechen der Menschheit (Anthropozän) sind, sondern das Ergebnis des Kapitalismus, der für soziale Ungleichheiten und die Aneignung der Billignatur verantwortlich ist. Im 19. Jahrhundert wurde die auf fossilen Brennstoffen basierende Wirtschaft nicht von der Menschheit als Ganzes geschaffen und aufrechterhalten, sondern von einer Gruppe von Kapitalisten, die die Produktivität ihrer Unternehmen steigern wollten. Infolge der globalen Klassenunterschiede tragen die Reichsten und Ärmsten nicht in gleichem Maße zu den Schadstoffemissionen bei (z.B. emittieren die reichsten 1% der Amerikaner, Luxemburger und Saudi-Araber zweitausendmal mehr CO2 als die ärmsten Honduraner, Mosambikaner und Ruander).
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Cheap nature (billige Natur)
Die kapitalistische Wirtschaft, die an Kapitalakkumulation interessiert ist, eignet sich Rohstoffe, Energiequellen und Nahrungsmittel, die für die Produktion notwendig sind, billig und oft kostenlos an und bezahlt nicht für die Arbeitskraft, die für den Betrieb des Systems benötigt wird. So wird ein kontinuierliches Wachstum durch die Ausbeutung der Lohnarbeit und den Verbrauch an der Natur garantiert. Nach Jason W. Moore, einer prominenten Figur im kritischen ökologischen Denken, ist der Kapitalismus kein sozioökonomisches System, sondern eine weltökologische naturschaffende Praxis, die durch die Aneignung der cheap nature und den „kostenlosen“ Rohstoffen erleichtert wird. Seine wichtigste Erkenntnis ist, dass der Kapitalismus die vier billigen Ressourcen (Arbeitskraft, Nahrung, Energie, Rohstoffe) inzwischen erschöpft hat. Das Ende der cheap nature bedeutet, dass sich die „unbezahlten Kosten“ in der Zerstörung des Ökosystem und Klimawandel manifestieren, die ein weiteres Wirtschaftswachstum behindern und damit eine Krise des Kapitalismus herbeiführen. Moore argumentiert daher, dass nicht die Menschheit als Ganzes für die ökologische Krise (Anthropozän) verantwortlich ist, sondern dass die Wurzel des Problems in der profitorientierten Logik des Kapitalismus (Kapitalozän) liegt.
Posthumanismus
Posthumanismus ist ein Oberbegriff, der mehrere Fachbereiche umfasst, die oft gegensätzlich sind und auf unterschiedlichen Grundprinzipien beruhen. Ihnen gemein ist die Suche nach der neuen Position der Menschheit in einer Ära nach der Krise und dem Zusammenbruch des klassischen Humanismus. Ihr anderes gemeinsames Kernprinzip betrifft den Menschen nicht als zentrales Element der Existenz – wie der anthropozentrische Ansatz des klassischen Humanismus – sondern vielmehr als einen höheren oder lediglich anderen Grad der (Ko-)Evolution.
Zu den wenigen Beispielen posthumanistischer Doktrinen gehört der Antihumanismus, der hauptsächlich mit dem französischen Philosophen Louis Althusser (1919-1990) in Verbindung gebracht wird. Antihumanisten stehen allen traditionellen humanistischen Ideen kritisch gegenüber, die die Menschlichkeit und die „conditio humana“ als fundamental betrachten. Althusser betrachtet den Humanismus als einen ideologischen Staatsapparat (appareil idéologique d’État), eine Beziehung zwischen Autorität und Wissen – er kann also nicht als universeller Wert oder natürlicher Seins-Zustand angesehen werden, wie er seit der Renaissance verstanden wird.
Der Transhumanismus preist die Allmacht von Rationalität und Wissenschaft. Seine These ist, dass künftige technologische Entwicklungen zur Schaffung einer stark verbesserten Version des Menschen führen werden, die als posthumaner oder transhumaner Seins-Zustand bezeichnet wird.
Der spekulative Humanismus erforscht die gemeinsame Zukunft von Klonen, Hybriden und Menschen sowie die Möglichkeit einer menschenlosen Zukunft. Der kritische Posthumanismus definiert ein Menschenbild, das sich untrennbar mit seiner Umwelt und der Technologie entwickelt.
Animal studies (Tierstudien) zielen darauf ab, unser tief verwurzeltes dualistisches Denken in Bezug auf Natur und Kultur, Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft und Mensch und Tier zu überwinden; sie streben auch danach, die Ethik der Tierrechte zu konstituieren.